Kältewelle und Schneesturm in Texas
Nikolaus Kandolf, WELTKÄRNTNER in Austin/ Texas, Oden Institute for Computational Sciences and Engineering/ University of Texas
Letzte Woche befand sich Texas in einem Ausnahmezustand mit einer Kältewelle und Schneestürmen. In einem „normalen“ Winter wird es hier nicht kälter als +5°C, letzte Woche hatten wir bis zu -12°C in Austin. Das Resultat waren großflächige Stromausfälle (über 3 Millionen Menschen ohne Strom), Wasserrohrbrüche, leergeräumte Supermärkte und unpassierbare Straßen.
Stromausfälle ist man in Texas durchaus gewohnt. Wie fast überall in den USA verlaufen Stromleitungen überirdisch, wie im „Wilden Westen“ oft auf Holzpfeilern oder von Haus zu Haus. Da reicht ein herabfallender Ast oder ein kleiner Verkehrsunfall mit einem Strommasten, um in einem Wohnviertel die Lichter ausgehen zu lassen. Da es normalerweise das Jahr über in Texas immer angenehm warm ist und der Strom im Schnitt nur etwa zehn Cent pro Kilowattstunde kostet, kann man schon einmal ein Auge zudrücken, wenn die Infrastruktur nicht immer fehlerlos arbeitet. Meistens ist der Strom nach wenigen Stunden wieder da - und wenn man nicht warten will, dann lässt man zuhause ein Notstromaggregat installieren.
Wetterphänomene infolge der Klimaerwärmung
Der Stromausfall letzte Woche war von einer anderen Größenordnung. „Polar Vortex“ wird die Großwetterlage genannt, bei der Kaltluft aus der Arktis über Kanada bis in den Zentralraum der USA gelangt. Dieses Phänomen, das alle paar Jahre auftaucht, bringt üblicherweise eine Woche lang frostige Temperaturen bis -20°C in die nördlichen Staaten des Landes – in Gegenden, die auf solches Wetter vorbereitet sind. Dass die Kaltfront in der vergangenen Woche über tausende Kilometer bis an die Grenze zu Mexiko gelangte, ist äußerst ungewöhnlich: Mit Tiefsttemperaturen um die -15°C lag Austin letzte Woche um ganze 23°C unter dem langjährigen Durchschnitt! Und das letzte Mal, dass hier Schnee über Nacht liegen geblieben ist, war im Jänner 1985!
Allerdings: Wettermodelle zeigen klar, dass solche Phänomene infolge der Klimaerwärmung in Zukunft häufiger auftreten werden.
Zusammenbruch des staatlichen Stromnetzes
Das Resultat dieses extremen Wetters war zunächst der Zusammenbruch des staatlichen Stromnetzes, aufgrund dessen vier Millionen Texaner für bis zu fünf Tage ohne Strom überleben mussten. Vor allem Gaskraftwerke waren nicht auf gefrierende Temperaturen vorbereitet, sodass Ventile vereisten und Turbinen festfroren.
Da Texas aus Gründen der staatlichen Souveränität über ein unabhängiges Stromnetz verfügt, konnte kein Strom aus den Nachbarstaaten eingekauft werden. Um ein texasweites Blackout zu vermeiden und kritische Infrastruktur zu schützen, musste darum schon in der ersten Nacht mit gefrierenden Temperaturen der Strom großflächig abgedreht werden.
Wasserleitungen vereisten
Da Häuser in Texas üblicherweise nicht thermisch isoliert sind, wurde es in den Wohnungen schnell ungemütlich kalt. Spätestens nach zwei Nächten mit Temperaturen weit unter Null begann die Wasserversorgung zusammenzubrechen, da sich Eis in den Leitungen bildete. Die meisten Straßen waren durch den Eisregen spiegelglatt oder aufgrund des Schnees unpassierbar. Supermärkte konnten nur für wenige Stunden am Tag öffnen, und wer nicht genug eingekauft hatte, musste stundenlang anstehen, nur um sich vor leergeräumten Regalen wiederzufinden.
Großhandelspreis für Strom stieg um mehr als das Hundertfache
Als der Strom nach einigen Tagen in die Häuser zurückkehrte, sahen sich viele Endverbraucher mit extrem hohen Stromrechnungen konfrontiert: durch die Stromknappheit stieg der Großhandelspreis für eine Kilowattstunde kurzfristig um mehr als das Hundertfache.
Der politische Kampf um die Schuld an diesem Fiasko ist schon längst im Gange. Dabei nimmt die Frage der Eigenverantwortung in diesem Staat eine besondere Rolle ein. Weite Teile der Gesellschaft scheinen zu akzeptieren, dass sich jede und jeder auf dieses extreme Wetter selbst vorbereiten hätte müssen. Während es zunehmend so aussieht, dass Elektrizitätsbetreiber fahrlässig Vorbereitungen auf das besondere Wetter unterlassen haben, ist es wohl eher unwahrscheinlich, dass sich in der massiv deregulierten Energiepolitik des Staates viel ändern wird. Wer es sich leisten kann, wird sich einen Dieselgenerator in sein Haus einbauen lassen, und vermehrt Wasser und Lebensmittel einlagern.
Heute, eine Woche nach dem Schneesturm, hat es in Austin übrigens wieder angenehme 20°C. Restaurants und Supermärkte haben wieder geöffnet fast als wäre nichts passiert. Nur das Trinkwasser muss derzeit noch abgekocht werden, weil die Schäden an den Wasserleitungen erst in einigen Tagen behoben sein werden.
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