Der Technologie sei Dank

Samstag, 04.07.2020

Peter Goldsborough, Weltkärntner in Seattle

In herausfordernden Zeiten wie diesen, danke ich noch mehr als sonst -  der Technologie. Wieso der Technologie?

Der Coronavirus hat unser Leben auf den Kopf gestellt. Die Städte, die Schulen, die Büros sind leer. Treffen im Familien- und Freundeskreis sind großteils untersagt. Nicht nur die Skisaison wurde — für mich persönlich tragisch — vorzeitig beendet; nein, auch noch dazu die Fußballsaison....

Wir arbeiten von zu Hause aus und vermissen plötzlich das Büro. Dennoch meine ich, dass unser Alltag noch viel mieser, einsamer und langweiliger wäre, wenn wir nicht eine Vielzahl an Technologien hätten, die unser Leben bereichern, und dieser Tage ertragbarer machen. 

Videokonferenzdienste wie Zoom ermöglichen es uns, unsere Arbeit nach Hause zu verlagern, und verhindern zugleich, dass viele Industrien und Teile unserer Gesellschaft vollkommen stillgelegt werden. Ärzte behandeln ihre Patienten nun oftmals virtuell. Berufe, die hauptsächlich am PC ausgeübt werden — heutzutage immer mehr —  bleiben von der Krise großteils unbetroffen. 

Auch die Politik, national wie international, verständigt sich über Videotelefonate. Soziale Internetdienste wie Facebook oder Messenger, die in den letzten Jahren vor allem in Europa wegen Befürchtungen um Datenschutz in ein schlechtes Licht gerückt wurden und an Popularität verloren, sind in der Zeit von Corona essentiell, um den üblichen sozialen Austausch, aber auch Spiele- oder Feierabende mit Freunden virtuell fortzuführen. 

Kinobesuche, die außerhalb des Hauses momentan verboten sind, können von Zuhause aus über Netflix weiterhin stattfinden. Fitnesstrainer finden wir zwar nicht mehr in den Fitnesstudios, aber in großer Zahl auf YouTube. Auch sei erwähnt, dass Technologien der Moderne nicht nur helfen, die langen 24 Stunden Zuhause mit abwechslungsreichen Aktivitäten zu füllen. Sie helfen auch, die Krise hoffentlich früher zu beenden und die Wachstumskurve des Virus nach unten zu drücken. Es wurde in den letzten Wochen eine Vielzahl an Anwendungen entwickelt, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verfolgen und potentielle Neuerkrankte früh zu informieren.

Statt „ungesunder Skepsis“ Freude an der Innovation zeigen

Ich bin also dankbar für die Technologien die uns heute, oftmals kostenlos, zur Verfügung stehen. Dankbar für die Pioniere, Wissenschaftler und insbesondere Unternehmer, die diese Technologien entwickelt und sie uns in die Hände gelegt haben, um unser Leben in der Krise tagtäglich zu verbessern. Dies spreche ich extra aus diesem Grunde an, weil ich meine, dass wir in Österreich und in Europa allgemein eine ungesunde Skepsis gegenüber den neuen Technologien entwickelt haben. 

Nach drei Jahren in den USA, stelle ich vor allem diesen Punkt als einen entscheidenden Unterschied zwischen der österreichisch-europäisichen und der amerikanischen Kultur fest: Die amerikanische Industrie strebt kontinuierlich nach technologischem Fortschritt, und die Bevölkerung stellt sich diesem positiv gegenüber - freut sich über Innovation. In Europa scheint es uns insbesondere daran zu liegen, den Status Quo zu erhalten, oder sogar unsere Gesellschaft zu einem vergangenen Status Quo ganz nach dem Motto „damals, als alles viel besser war als heute“ zurückzuführen. Interessant und wichtig hierbei ist, dass beide Seiten des Atlantiks von der Richtigkeit ihrer Meinung, und der Gefahr der anderen Einstellung fest und einheitlich überzeugt sind.

Verbesserung der Gesellschaft durch Innovation

Wenn es nun das Ziel ist, den Status Quo zu erhalten, oder nur oberflächlich zu erneuern, dann ist jegliche radikale, technologische Veränderung unerwünscht und zugleich problematisch. Dennoch schafft es die Innovation letztendlich doch in unseren Alltag. Langsam, meist aus den USA importiert, nach viel Skrupel, viel Diskussion, „ob man das überhaupt braucht, ob man das will, ob das nötig ist, ob das unseren Werten entspricht, ob etwas dahinter steckt“.

Wo kommt man denn hin, „was ist wenn“, kommt uns das Smartphone dann doch in die Hand und unser Gesicht in eine Videokonferenz im Internet? Die lange hin-und-her Diskussion, der endlose Skrupel und das unbarmherzige Misstrauen ist hierbei meiner Meinung nach in kleinem Maße verständlich, in der heutigen Entfaltung jedoch eine unnötige, behindernde Entschleunigung des natürlichen innovativen Prozesses, der kreativen Zerstörung — um den österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter zu zitieren. Wir verhindern nicht nur die Verbesserung unserer Gesellschaft durch Innovation, sondern verhindern auch, dass diese Innovation aus Österreich oder zumindest aus Europa kommt, und nicht immer mit dem (virtuellen) Frachtschiff aus den USA.

Offener sein gegenüber neuen Technologien  

Ich meine also, dass wir in Europa, in Österreich, in Kärnten, offener gegenüber neuen Technologien sein müssen. Insbesondere, wenn wir der „Geburtsort“ der Technologien von morgen sein wollen. 

Das Talent und das Know-How geht nämlich auch dorthin, wo neue Ideen geschätzt und geschöpft werden. Anstatt jahrelang darüber zu diskutieren, ob neue Technologien wie selbstfahrende Autos wohl sicher genug sind und nicht etwa unseren Status Quo bedrohen, sollten wir diskutieren, wie wir diese Technologien sicher nutzen, weiterführen und verbessern können. Es fehlt nicht an den Ressourcen oder den richtigen Leuten. Es fehlt an der richtigen Einstellung und dem Willen, die Fortschritte von morgen schon heute zu realisieren.

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Seattle

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